Der Prozess Erzählverhalten
Der Prozess Erzählverhalten – Einleitung
In „Der Prozess“ dominiert ein personales Erzählverhalten. Das bedeutet, dass der Leser alle Informationen aus K.s Sicht geschildert bekommt (monoperspektivisch).
Der Leser erfährt keine Fakten, sondern Eindrücke. Häufig verwendete Konjunktive zeigen, dass das Geschehen aus K.s Perspektive geschildert wird. Ein auktorialer, allwissender Erzähler wüsste gewisse Fakten mit Sicherheit. K. kann nur Vermutungen anstellen.
„Jedenfalls hatte K. nichts anderes tun können, als die Tür zuschlagen.“ (S.90)
Dies wandelt die ihm willkommenere Möglichkeit oft zu einer Tatsache um. Deshalb muss man kritisch hinterfragen, in wie weit die dargestellte Welt wirklich real ist. Die gewählte Perspektive des personalen Erzählers ist entscheidend für die Spannung des Romans. Durch die subjektive Schilderung bleiben Umstände und Geschehnisse oft unaufgeklärt und rätselhaft.
Die Erzählweise ist trotz der subjektiven Schilderung überwiegend sachlich und nüchtern. Dies führt dazu, dass sich der Leser nicht emotional mit K. identifizieren kann, da kaum Emotionen geschildert werden.
Tipp: Um zu überprüfen, ob es wirklich eine personale Perspektive ist, kann oft „K.“ durch das Personalpronomen „Ich“ ersetzt werden.
Der Prozess Erzählverhalten – Personaler Erzählbericht
„K. wusste nicht, wie er das Ganze beurteilen sollte, es hatte nämlich den Anschein, als ob alles in freundschaftlichem Einvernehmen geschehe.“(S.142)
An diesem Beispiel sieht man, dass
- es sich um einen nicht figurierten Erzähler handelt
- eine konstante Figurenbindung an K. vorliegt
- Kommentierungen K.s Gedanken entsprechen
Viele Gespräche werden in der indirekten Rede wiedergegeben. Dies macht es möglich, dass auch Gespräche durch subjektive Eindrücke beeinflusst werden.
Der Prozess Erzählverhalten – Erlebte Rede in „Der Prozess“ (Form des personalen Erzählens)
„K. hatte sich inzwischen im Zimmer umgesehen, er wäre niemals selbst auf den Gedanken gekommen, dass man dieses elende kleine Zimmer ein Atelier nennen könnte.“(S.143)
Hier werden die Gedanken nicht unmittelbar von K. selbst, sondern vom Erzähler geschildert.
Der Prozess Erzählverhalten – Neutral gehaltener Erzählerbericht:
An manchen Stellen wirkt das Beschriebene nüchtern beziehungsweise distanziert anstatt subjektiv beeinflusst. An solchen Stellen wird eine Distanz zwischen dem Beschriebenem und dem Erzähler geschaffen.
Beispiel 1:
„Die Treppe, die zu ihm führte, war besonders schmal, sehr lang, ohne Biegung, in ihrer ganzen Länge zu übersehen und oben unmittelbar vor Titorellis Tür abgeschlossen (…).“ (S.141)
Beispiel 2:
„ ,Wer sind Sie?‘ fragte K. und saß gleich halb aufrecht im Bett.“
- Einige Autoren werten diese Abschnitte als Teil von K.s Bewusstsein. Der einzige Unterschied ist, dass hier nicht das direkt von K. Erlebte gezeigt wird, sondern ein reflektierendes Bewusstsein die Oberhand bekommt.
- Andere meinen, dass ein auktoriales Erzählverhalten in diesen Abschnitten dominiert. Es werden teilweise (sehr selten!) Fakten geschildert, die K. nicht wissen kann; ein allwissender, auktorialer Erzähler allerdings schon.
- Es gibt für beide Meinungen nachvollziehbare Gründe. Der Leser muss sich seine Meinung in diesen Szenen selbst bilden.