Wandlungsprozesse in der Herausbildung der modernen Industriegesellschaft um die Jahrhundertwende (Arbeit, Familie, Bildung)

Einleitung

Anhand der drei Bereiche „Arbeit“, „Familie“ und „Bildung“ gehe ich auf die Wandlungsprozesse ein, die bis zur Jahrhundertwende 19./ 20. Jahrhundert aus der von mittelalterlichen Strukturen geprägten vorindustriellen Gesellschaft die moderne Industriegesellschaft formten.

Arbeit

In der Arbeitswelt steht die Massenproduktion in Fabriken im Vordergrund. Durch den Einsatz von Maschinen wird das Handwerk verdrängt, weil eine effizientere Produktion in arbeitsteiligen Schritten gewährleistet werden kann.

Ein weiterer Unterschied zur vorindustriellen Arbeitsweise ist die räumliche Trennung von Arbeitsplatz und Heim. Während der Handwerker mit seiner Familie bei seiner Werkstatt wohnt, liegen die Fabriken im Zentrum großer Arbeitersiedlungen. Die Fabriken des 19. Jahrhunderts sind durch Dunkelheit, Dreck und ohrenbetäubenden Lärm geprägt; es herrschen äußerst miserable Arbeitsbedingungen.

All diese Veränderungen, die sich im Zuge der Industrialisierung ergeben, lassen eine neue gesellschaftliche Schicht entstehen: Das Proletariat.

Familie

Die Industrialisierung verändert nicht das grundsätzliche Konzept von Ehe und Familie. Im Gegenteil: Es ist sogar ein Plus an Familiengründungen zu erkennen, da nun gesellschaftliche Teile der vorindustriellen Zeit wie Handwerkergesellen, Knechte oder Mägde nicht mehr breit vertreten sind; arbeitende Männer und Frauen mit festem Lohn können den Schritt in den Stand der Ehe leichter vollziehen.

Im Familienbild muss man zwischen der Arbeiterfamilie und der bürgerlichen Familie unterscheiden: In Arbeiterfamilien gehen rund 20% der Frauen außerhäuslichen Tätigkeiten nach. Der Rest verdient zumeist auch eigenes Geld, etwa durch Untervermietung oder Zugehdienste. Der Mann hat zwar immer noch die Rolle des Familienernährers, doch die Frau, die in der Arbeitswelt stark benachteiligt ist, trägt trotzdem zum Familieneinkommen bei. Im Kontrast dazu das Bürgertum mit einem patriarchalischen Familienbild: Der Mann geht einem Beruf nach, die  Frau ist zuständig für den Haushalt und die Kindererziehung.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kinderarbeit: Aufgrund äußerst geringer Löhne waren die Familienväter oftmals gezwungen, nicht nur ihre Frauen, sondern auch ihre Kinder zur Arbeit zu schicken. Mit 6-8 Jahren wurden Kinder so z.B. in Bergwerken eingesetzt. Die körperliche Schwerstarbeit führte zu geringen Lebenserwartungen von knapp über 20 Jahren.

Bildung

Die industrialisierte Zeit forderte nicht nur billige Arbeitskräfte im Fabrikeinsatz. Mit zunehmendem Technisierungsgrad waren Facharbeiter in Verwaltung, Maschinenbedienung und Maschinenkonstruktion gefragt. Im späten 19. Jahrhundert wurde deshalb ein hochwertiges staatliches Bildungssystem hochgezogen. Mit der Schulpflicht wurde die Massenalphabetisierung stark vorangetrieben, an Universitäten die Bürokratie ausgebildet und an Hochschulen zum Beispiel das Ingenieurwesen gelehrt.

Außerdem ersparte die Schulpflicht den Kindern die Kinderarbeit. Die Arbeitskraft der Menschen konnte nachhaltiger und sozial verträglicher in Anspruch genommen werden; ein Verbesserung, die sich zur Jahrhundertwende längst nicht über alle Teile des industrialisierten Europa erstreckte.