Gedichtsanalyse „Was ist die Welt?“ von Hugo von Hofmannsthal (1980)

Das vorliegende Gedicht „Was ist die Welt?“ im Jahr 1980 von Hugo von Hofmannsthal  verfasst, erörtert, inwiefern der Mensch fähig ist, die Welt zu ergründen.

Das Gedicht beinhaltet vier, jeweils durch einen Punkt in sich abgeschlossene Strophen, wobei die ersten drei Quartette jeweils ein umarmendes Reimschema aufweisen und die letzten beiden Verse als Paarreim die letzte Strophe bilden.

Ebenfalls mit Ausnahme der Verse dreizehn und vierzehn findet sich mit einem fünfhebigen Jambus nahezu überall ein regelmäßiges Metrum auf.                                                                                                Auch inhaltlich grenzen sich die einzelnen Strophen voneinander ab. Die erste Strophe beginnt zunächst mit der Wiederholung der Titelfrage „Was ist die Welt?“ (V.1). Im Folgenden wird darauf Antwort gegeben und anhand des Vergleichs mit einem Gedicht die Dinge aufgezählt, die die Welt dem lyrischen Du offenbart. Diese Erkenntnisse sind jedoch nicht mit jedem Gemütszustand des Menschen vereinbar und daher nicht immer ersichtlich. Mit der dritten Strophe erfolgt ein inhaltlicher Bruch, nun werden die unergründlichen Seiten sowie Geheimnisse der in sich geschlossenen Welt beschrieben (vgl. V. 9-12).

Abschließend resümieren die letzten beiden Verse des Gedichts die Unfähigkeit des Menschen, die Welt zu verstehen.

Dieses inhaltlich für Hugo von Hofmannsthal sehr typische Gedicht, da es sich auf eine tiefgründige Fragestellung nach dem Sinn des Lebens sowie der Fähigkeit des Menschen diesen zu ergründen, weist auch sprachlich eine für den Dichter bekannte Metaphorik auf. Die sehr bildhafte, bewusst gewählte Sprache zeichnet aus, dass die spätere Schreibkrise des Dichters nicht wörtlich verstanden werden darf. An dieser Stelle bedient sich Hofmannsthal eines Vergleiches des Lebenssinns mit einem Vers bzw. Buch oder gar der Literatur an sich.

Die Fragestellung „Was ist die Welt?“ wird sowohl im Titel als auch zu Beginn des ersten Verses genannt. Diese Wiederholung zielt auf die persönliche Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema ab. „Was ist die Welt?“ (V. 1, Titel), ja was ist die Welt eigentlich? Der Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht nur einer ausgeklügelten Wortwahl, sondern ebenso eines besonderen Gemütszustandes (Vgl. V.6).

Auf die Frage nach der Welt folgt sogleich die Antwort „Ein ewiges Gedicht“ (V.1) wodurch der Vergleich der Welt mit Sprache bzw. Lyrik deutlich gemacht wird. Die Unendlichkeit der Welt wird alleine durch die Endlichkeit des menschlichen Lebens (V.14) unbegreifbar.

Die Strophen zwei bis vier gleichen sich durch ihren Beginn mit der Anapher  „Daraus“ sowie den darin enthaltenen Alliterationen „Geist der Gottheit“ (V.2), „Wein der Weisheit“ (V.3) sowie „Laut der Liebe“ (V.4), der „zu uns spricht“ (V.4), „glüht“ (V.2) sowie „sprüht“ (V.3). Diese nahezu mystische Darstellungsweise nennt zwar konkrete Inhalte der Welt, jedoch sind Weisheit, Gottheiten und Liebe allesamt komplexe Themen deren Ergründung wohl viele Menschen beschäftigt und auch verzweifeln lässt. Die Welt ist also mit diesen drei Antworten alleine noch nicht geklärt.                                                                                        Die nächste Strophe kann als eine Art Steigerung der vorherigen betrachtet werden. Ist es nicht schon schwer genug, Gottheiten, Weisheiten und Liebe zu verstehen, so ist nun auch der Gemütszustand des Menschen (Vgl. V.5) ein Hindernis bei der Beantwortung der Frage nach der Welt. „Ein Strahl ists, der aus dieser Sonne bricht“ (V.6.) stellt eine einzelne Erkenntnis dar, die aber nur im Einklang mit allen anderen Strahlen eine Antwort geben kann. Doch auch dieser Strahl kann unbemerkt „verhallen, verlischen, verglühen“ (V.8). Zusammen mit allen anderen Strahlen bildet ein einziger Strahl die Sonne, so wie ein einziger Vers mit tausend anderen (Vgl. V.7) ein ganzes Buch konzipiert.

Die dritte Strophe gibt schon mit den Worten „Und doch“ (V.9) einen Hinweis darauf, dass nun eine inhaltliche Veränderung eingeleitet wird. Hofmannsthal bedient sich mit diesem Vers der Adjektive „süß-geheimer, nievernommner“ (v.10) sowie „eigner, unentweihter“ (V.11). Dies Begrifflichkeiten sind alle einem semantischen Wortfeld der Mythen und Geheimnisse zuzuordnen. Die Welt ist ein in sich geschlossenes Konstrukt, dessen Geheimnisse kaum oder nicht durch menschliche Fähigkeiten ergründbar sind. Eine weitere Abgrenzung ist in den Versen dreizehn und vierzehn erkennbar, die noch einmal Bezug auf das schon zuvor genannte Buch der Welt nimmt, das aus vielen einzelnen Versen (Vgl. V.7) besteht. „Und wenn du gar zu lesen drin verstündest, ein Buch, das du im Leben nicht ergründest“ (V.13 f.). Diese Verse können wörtlich verstanden werden und sind auf die Frage „Was ist die Welt?“ zu übertragen. So reicht die Fähigkeit zu lesen noch lange nicht aus, um den Sinn eines Buches zu verstehen. Ebenso ist ein Gedicht nicht mit dem bloßen Lesen der aneinandergereihten Buchstaben ergründbar und eben auch nicht die ganze Welt, deren Sinn ohnehin höchstens in einzelnen Teilstücken vernommen werden kann. „Im Leben nicht ergründest“ (V.14) bestätigt die Müßigkeit sowie Nutzlosigkeit des Versuches, die Frage „Was ist die Welt?“ zu beantworten. Der Mensch sollte sich besser mit anderen Lebensinhalten beschäftigen als seine wertvolle Lebenszeit mit unmöglichen Aufgaben zu verschwenden. Ebenso wie auch sein späteres Werk „Der Brief des Lord Chandos an Francis Bacon“ formuliert Hugo von Hofmannsthal in diesem Gedicht eine klare Absage an den aufkommenden Empirismus der Moderne. Die Menschen sind nicht in der Lage, alles zu durchschauen, zu bewerten und untersuchen, schon gar nicht die Welt, die im Grunde alles beinhaltet.