Gedichtsanalyse „Mondnacht“ von Joseph Freiherr von Eichendorff (1835)

Das romantische Gedicht „Mondnacht“, im Jahre 1835 von Joseph von Eichendorff geschrieben, thematisiert eine stille Mondnacht, in der sich Himmel und Erde vereinigen und wie die Erde auf dieses Ereignis reagiert. Mithilfe dieses Bildes drückt Eichendorff die Suche des lyrischen Ichs nach dem (göttlichen) Ursprung der Welt aus, das sich darin einen inneren Frieden für sich selbst erhofft.

Formal besteht „Mondnacht“ aus 3 Strophen mit jeweils vier Versen. Als Reimschema lässt sich ein Kreuzreim sowie ein dreihebiger Trochäus mit alternierenden Kadenzen feststellen. Dabei beginnt das Gedicht mit einer weiblichen Kadenz, wobei jeweils der zweite Vers jeder Strophe von dieser Regelmäßigkeit ausgenommen wurde. Sowohl die abwechselnden Reime als auch die Betonung symbolisieren die Vermischung von zwei Elementen, in diesem Falle die Transzendenz zwischen Himmel und Erde.                                                                                                               In dem äußerlich relativ kurzen Text dieses Gedichtes wurden außerdem zahlreiche Stilmittel eingearbeitet, die die Absicht des Dichters verstärken.

So beginnt die erste Strophe, in der die Verschmelzung von Himmel und Erde also etwas Irdischem und Überirdischen geschildert wird. Der Konjunktiv „hätt“ (V.1) verdeutlicht, dass die Verbindung zwischen Himmel und Erde nur eine irreale Vorstellung, ein Wunschdenken des lyrischen Ichs ist. Dabei übernimmt der Himmel die menschliche Fähigkeit des Küssens, die auf die Erde übertragen wird („Es war als hätt‘ der Himmel … die Erde still geküsst“ V.1f.). Der Kuss wird durch das Adjektiv „still“ (V.2) näher beschrieben, es entsteht also nur eine zarte, hauchartige Berührung, zwischen den so mächtigen Elementen Himmel und Erde, die ohnehin schon unrealistisch ist und somit noch an Bedeutung gewinnt. Die folgenden Strophen beschreiben die Folgen, hätte der Kuss tatsächlich stattgefunden. Der universale Kuss als Vereinigung zwischen Himmel und Erde führe zu einem Traum im Blütenschimmer (Vgl. V.3  f.), wobei dieser gesamte Ausdruck durch die Personifikation „träumen“ (V.4) und den Neologismus „Blütenschimmer“ (V.3) verstärkt wird. Der gesamten Situation wird somit etwas Mystisches, Magisches angehängt.

Die darauffolgende Strophe thematisiert die Veränderungen in der Natur, die der Kuss bewirkt. Die Luft aus dem Himmel (Vgl. V.5) als Transzendente Verbindung zwischen Mensch und Himmel. „Ging durch die Felder“ (V.5) nennt die Luft als himmlisches Motiv, dem mit dem Wort „gehen“ (V.5) menschliche Eigenschaften übertragen werden. Der Kuss wird in der Natur sofort spürbar, sodass die Vereinigung durch besondere Atmosphäre wahrgenommen werden kann. Mit den Worten „Feld“, „Ähren“, „Wald“ und Nacht (V. 5-8) nutzt Eichendorff Naturmotive als klassische Kennzeichen der Romantik. Im Zusammenhang mit den Adjektiven „sacht“, „leis“ und sternklar“ (V.6-8) beschreiben diese die besondere Wirkung, die der Kuss zwischen Himmel und Erde auslöst und es zu einem einzigartigen Ergebnis werden lassen. Die Natur kann in diesem Moment mit den drei Sinnen Hören, Fühlen und Sehen wahrgenommen werden, da Eichendorff an dieser Stelle Synästhesie verwendete. Des Weiteren lenkt der Dichter mit Verwendung des Wortes „Nacht“ (V.8) die Aufmerksamkeit des Lesers noch einmal auf den Titel und somit nach oben. Dieser Rückgriff symbolisiert erneut die Transzendenz, indem unten gelegenes immer einen Bezug nach oben aufweist.

In der letzten Strophe wird erstmals das lyrische Ich des Gedichts offensichtlich. Mit „Meine Seele spannte…“ (V.9) setzt nun die eigentliche Handlung, nämlich die Reaktion des lyrischen Ichs auf den vorhergegangenen Kuss.  Dabei wird dies durch die Personifikation „meine“ (V.9) erst näher beschrieben. Das Ausspannen der Seele meint die Realitätsflucht der Lebensseele aus der nicht unbeschwerten Alltagswelt als ein typisches Motiv der Romantik. Das Fliegen, das in der Luft stattfindet, verstärkt ein weiteres Mal die Zusammengehörigkeit der zwei Elemente Luft und Erde (Vgl. V.12). Im letzten Vers verwendet Eichendorff außerdem ein weiteres Mal den Konjunktiv. „Flöge“ wiederholt zum Ende des Gedichts, dass die gesamte vorhergehende Handlung nur eine Vorstellung war. Hätte der Himmel die Erde tatsächlich geküsst (Vgl. V.1 f.), so flöge die Seele nun durch die stillen Lande nach Haus (Vgl. V. 11 f.). „Haus“ beschreibt in diesem Fall aber nicht ein tatsächliches Bauwerk, sondern einen Zustand, der den inneren Frieden für das lyrische Ich meint. Die Transzendenz ermöglicht der Seele eine kurze Verbindung zum Himmel, eine friedliche Umgebung, die die Erde ihr nicht mehr bieten kann. Im übertragenden Sinne sehnt sich dieses nach dem Tod, den es bei der Berührung zwischen Himmel und Erde über sich kommen lässt. Der Himmel nimmt der Erde die Lebensseele und trägt sie mit nach oben, sobald sich beide nach dem Kuss wieder voneinander entfernen. Diese Sehnsucht nach einem himmlisch paradiesischen Ort spiegelt die religiösen Vorstellungen Eichendorffs wieder, die ebenfalls zentrale Motive der Romatik sind. Diese Suche nach dem göttlichen Ursprung sowie die Elemente der Natur, der Nacht, der Realitätsflucht und des Träumens lassen „Mondnacht“ eindeutig in diese Epoche einordnen und es zu den bedeutendsten Gedichten der damaligen Zeit zählen.