Die Revolutionen in Osteuropa und der Untergang der Sowjetunion
Die Wahl von Michail Gorbatschow zum Generalsekretär des Zentralkomitee der KPdSU (1985) markierte einen Einschnitt in der sowjetischen Osteuropa-Politik. Der dynamische und reformfreudige Kurs Gorbatschows ermutigte Reformbewegungen in ganz Osteuropa. Das Zusammenwirken dieser Kräfte ebnete letztendlich den Weg zur Deutschen Einheit und läutete das Ende der Sowjet-Ära ein.
Bröckelnde Fassade: Probleme innerhalb der UdSSR
Mit dem Führungswechsel in der Parteispitze der KPdSU reagierte die Partei auf den wachsenden Problemdruck der auf dem sowjetischen System lastete:
Ideologie: Der Marxismus-Leninismus als Leitkurs der UdSSR verlor an Bedeutung und Überzeugungskraft. Die Ausrichtung des öffentlichen Lebens auf die Partei und der Marxismus-Leninismus als Instrument der Herrschaftslegitimierung verloren zusehends an Wirksamkeit. Zusätzlich dazu war eine anwachsende religiöse Orientierung in der UdSSR festzustellen welche konträr zur Parteilinie stand.
Nationalitäten: Die UdSSR war ein Vielvölkerstaat und umfasste etwa 100 nichtrussische Völkerschaften. Auch wenn die meisten der 15 Unionsrepubliken auf dem Papier unabhängig waren, so lag die zentrale politische Macht in Moskau. Die „Russifizierung“ dieser Gebiete, also das Besetzen wichtiger Ämter mit Russen, die Zurückdrängung nichtrussischer Sprachen und Umsiedlungsmaßnahmen, stießen auf immer mehr Widerstand in der Bevölkerung.
Wirtschaft: Die unzureichende Versorgung mit Konsumgüter und die oft schlechte Qualität der Produkte sowie die Ineffizienz der zentral geregelten Planwirtschaft führten dazu, dass es nach wie vor ein soziales Gefälle in der Gesellschaft gab.
Auch wenn Zeitweise bis zu 20% der Sowjetbevölkerung in der Landwirtschaft tätig war, gelang es der UdSSR nicht die Selbstversorgung sicherzustellen. Versorgungsengpässe und eine niedrige Produktivität konnten nur durch massenhaften Nahrungsmittelimport ausgeglichen werden.
Der technologische Rückstand zu den kapitalistischen Industriestaaten im Westen konnte nur teilweise aufgeholt werden zB. im Bereich Rüstung und Raumfahrt.
Neuer Kurs: Perestroika und Glasnost
Gorbatschows Machtantritt (1985) drückte den Willen und die Bereitschaft von Teilen der Parteielite aus diese Probleme anzugehen. Die Reformprogramme Perestroika (Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit) sollten das sozialistische Gesellschaftsmodell modernisieren.
Auch wenn Gorbatschow Perestroika als „Revolution“ bezeichnete, so sollte das System nicht abgeschafft sondern “nur“ erneuert werden. Ziel war es dabei das Volk wieder aktiv in die Politik zu integrieren, den Lebensstandart in der Sowjetunion anzuheben und zu sichern sowie konkurrenzfähige sowjetische Produkte für den Weltmarkt zu schaffen und so langfristig den Status der Sowjetunion als Weltmacht zu sichern.
Mithilfe von Glasnost, das ungefähr so viel bedeutet wie Offenheit und Transparenz, sollten alte Strukturen aufgebrochen werden um so Justizwillkür, Alkoholismus, Bürokratie und Korruption zu bekämpfen. Die Zensur der staatlichen Medien und die Einschränkung der Meinung und Pressefreiheit wurden nach und nach aufgehoben. Mit seiner Formulierung: „Wir brauchen Demokratie wie die Luft zum Atmen“ (1987) brach Gorbatschow endgültig mit der marxistisch-leninistischen Parteitradition.
Diese Reformen „von Oben“ rechneten mit dem Stalinismus ab und lösten unbeabsichtigt einen dynamischen Prozess aus der letztendlich zur Auflösung der UdSSR führte.
Politischer Wandel in Osteuropa
Durch den neuen Kurs der KPdSU wurde das Scheitern des sozialistischen Gesellschaftsmodells für eine breite Öffentlichkeit sichtbar und begünstigte so die Arbeit demokratischer Reformbewegungen, etwa die der katholischen Gewerkschaft Solidarnosc in Polen die u.a durch Papst Paul II. unterstützt wurde und so großen Einfluss in der Politik besaß, dass die Kommunistische Partei Polens Eingeständnisse machen musste.
In ganz Osteuropa entstanden demokratische Oppositionen unter der Führung von Intellektuellen die einen radikalen Bruch mit dem Sozialismus forderten. Dabei stießen sie auf den Widerstand konservativer Kräfte die zu alten, autoritären Verhältnissen zurückkehren wollten.
Die Sowjetische Gesellschaft polarisierte sich.
Das Ende der Sowjetunion
Am 19.August 1991 putschten acht hochrangige Politiker der KPdSU unter der Führung des sowjetischen Vizepräsidenten Janajew. Dieses „Staatskomitee“ erklärte Gorbatschow für abgesetzt und verkündete den Ausnahmezustand. Nach eigener Aussage wollten die Putschisten der Auflösung der Union zuvorkommen und die alten Verhältnisse wiederherstellen.Ihr Staatstreich misslang da die Putschisten kaum Rückhalt in der Bevölkerung besaßen und sich große Teile des KGB und der Armee weigerten gegen die rechtmäßige Regierung vorzugehen.
Der Putsch produzierte sogar ein vollkommen gegenteiliges Ergebnis: Die KPdSU vermittelte ein instabiles,schwaches Bild und hatte kaum noch Einfluss.
Alle Republiken die Teil der Sowjetunion waren erklärten sich im Folgenden für souverän. Dies war das Ende der Sowjetunion in seiner alten Form.
Gorbatschow wurde für abgesetzt erklärt, seine Absicht eine „neue Sowjetunion“ zu schaffen war somit gescheitert. An Stelle der UdSSR trat die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und Russland nahm an ihrer Stelle den Platz im NATO-Sicherheitsrat ein.